Fernüberwachung von Vitalparametern bei Krebspatient*innen

Krebstherapie im Alltag überwachen? – Ein interdisziplinäres Projekt zu Sensortechnik und App-basierter Befragung: Therapiewirksamkeit früh erkennen und Lebensqualität steigern. Eine Kooperation zwischen der AG Medizininformatik der Hochschule Reutlingen und dem Zentrum für Personalisierte Medizin Tübingen.

elderly people using smartphones

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Moderne Krebstherapien können häufig in den Alltag integriert werden. Krebspatient*innen kommen in einem festgelegten Wochenrhythmus für ihre ambulante Therapie in die onkologische Tagesklinik des Universitätsklinikums Tübingen. In der Zeit zwischen den Therapiesitzungen können sie zuhause ihrem Alltag wie gewohnt nachgehen. Ein großer Nachteil: In diesem Zeitraum kann der Therapieverlauf und der Zustand der Patient*innen nicht vom Klinikpersonal überwacht werden.

Aus diesem Grund hat es sich das Zentrum für Personalisierte Medizin des Universitätsklinikums Tübingen zum Ziel gesetzt, in einer Pilotstudie zu testen, ob Wearables, wie die cosinuss° Im-Ohr Sensoren, dafür geeignet sind, Vitalparameter von Patient*innen im Alltag zu überwachen. Auf Basis der aufgezeichneten Daten können möglicherweise frühzeitig Nebenwirkungen erkannt und der Therapieverlauf verfolgt werden. Die Studie findet in Kooperation mit der AG Medizininformatik der Hochschule Reutlingen statt.

Auswirkungen auf die Lebensqualität

Viele Krebserkrankungen und damit verbundene Therapien gehen mit einer eingeschränkten Lebensqualität für Betroffene einher.1 Die Messung der Lebensqualität spielt daher eine wichtige Rolle in der Krebsforschung. Patient*innen werden hierfür befragt, wie es ihnen im Allgemeinen geht und inwiefern sich die Therapie auf ihre Lebensqualität auswirkt. Dies erlaubt es den Mediziner*innen und Forscher*innen u.a. die Auswirkungen neuer Behandlungsverfahren besser beurteilen zu können2

Studie: Überblick und Zielsetzung

In der Pilotstudie wird untersucht, wie gut sich die eigens von der AG Medizininformatik der Hochschule Reutlingen entwickelte Smartphone-Anwendung bwHealthApp und die verwendeten Sensoren in den Alltag der Patient*innen integrieren lassen, wie verlässlich die Daten sind und ob mit dieser Technik die Krebstherapie in der Tagesklinik des Universitätsklinikums Tübingen in Zukunft besser, individueller und effektiver gestaltet werden kann.

„Wir wollen in Zukunft eine personalisierte Krebstherapie ermöglichen, die sich mit Hilfe moderner Wearables in den Alltag der Patient*innen integrieren lässt.“

Hanna Borlinghaus, MSc (Projektkoordination), ZPM Tübingen

Die verwendete App soll langfristig ein wichtiger Baustein der personalisierten Medizin sein, indem verschiedene Sensoren, Wearables und medizinische Geräte miteinander verknüpft, deren Daten aufgezeichnet und analysiert werden können. Hierzu zählen neben den cosinuss° Im-Ohr Sensoren und Fitnessarmbändern bspw. auch implantierbare Geräte.

Studiendesign

Die Studie hat Ende Juli 2022 begonnen und insgesamt über einen Zeitraum von etwa vier Monaten gehen.

Die Studienteilnehmenden kommen alle paar Wochen zur systemischen Krebstherapie in die onkologische Tagesklinik des Universitätsklinikums Tübingen. Hier findet die initiale Einrichtung und Anleitung der App und Wearables statt. Die Teilnehmenden erhalten keinerlei Vorgaben, wie oft und bei welchen Aktivitäten sie den Sensor zu tragen haben. Auch die manuellen Eingaben in der App beruhen auf freiwilliger Basis.

Über einen Zeitraum von etwa einem Monat verwenden die Teilnehmenden den Im-Ohr Sensor bzw. das Armband in ihrem Alltag. Es werden u.a. die Herzfrequenz, Körpertemperatur und Sauerstoffsättigung (SpO2) gemessen und aufgezeichnet.

Zusätzlich tragen die Teilnehmenden Angaben in die bwHealthApp ein. Hier können neben der aktuellen Lebensqualität auch bestimmte Ereignisse eingetragen werden, bspw. sportliche Betätigung oder Nebenwirkungen der Therapie.

Am Ende des vierwöchigen Zeitraums füllen die Teilnehmenden einen Feedback-Fragebogen zur Studie, der App und des verwendeten Geräts aus.

Fotos: Alfred Siewe-Reinke, Hochschule Reutlingen, 2022

Stichprobe

An der Studie nehmen etwa 30 Krebspatient*innen (m/w/d) teil, die sich einer systemischen Therapie (Chemo-, Immuntherapie) unterziehen.

Per Losverfahren erhält ein Teil der Gruppe ein Fitnesstracker-Armband und ein anderer Teil den cosinuss° Im-Ohr Sensor °Two für das automatisierte Aufzeichnen der Vitalparameter.

Methode

Es werden zum einen automatisch Daten mittels der Sensoren aufgezeichnet. Hierunter fallen, je nach verwendetem Gerät, folgende:

  • Herzfrequenz
  • Körpertemperatur
  • Sauerstoffsättigung
  • Verbrannte Kalorien
  • Schrittanzahl
  • Distanz
  • Aktivitätsdauer
  • Schlafdauer

Zum anderen tragen die Teilnehmenden manuelle Eingaben in die App ein. Hierunter fallen u.a. Aktivitäten und Ereignisse sowie die Beantwortung von Fragebögen, wie beispielsweise des EORTC QLQ-C30-Fragebogens. Dieser in der App integrierte Fragebogen basiert auf dem “EORTC Quality of Life”. Er wurde in über 100 Sprachen übersetzt und validiert und wird jedes Jahr in mehr als 5.000 Studien weltweit verwendet (https://qol.eortc.org/).

Technisches Setup

Die Messdaten des Sensors werden per Bluetooth Low Energy (BLE) an die Smartphone App gesendet. Von dort gelangen die Daten über eine gesicherte Internetverbindung (TLS-Verschlüsselung über WLAN) an den Server des Rechenzentrums der Hochschule Reutlingen. Sollte zeitweise keine Internetverbindung bestehen, werden die Daten auf dem Smartphone zwischengespeichert. Über eine speziell entwickelte Web-Plattform werden die gesammelten Daten visualisiert, um vom medizinischen Personal überwacht und analysiert werden zu können.

„Die cosinuss° Sensoren haben uns u.a. aufgrund der Messung im Ohr als komfortable Alternative zu Fitness-Armbändern überzeugt.“

Hanna Borlinghaus, MSc (Projektkoordination), ZPM Tübingen

Die Wahl auf die cosinuss° Sensoren fiel u.a. aufgrund der Möglichkeit die Vitalparametermessung im Ohr vorzunehmen, was für viele Studieneilnehmende eine komfortable Alternative zu einem Armband darstellt. Zudem bietet der cosinuss° Two neben der Pulsfrequenz zwei zusätzlich relevante Vitalparameter: Sauerstoffsättigung (SpO2) und Körpertemperatur. Ein weiteres Entscheidungskriterium war die Möglichkeit der energiesparenden Datenübertragung zwischen Sensor und Smartphone mittels Bluetooth Low Energy.

cosinuss° Im-Ohr Sensor °Two

Weitere Informationen zur Datensicherheit des technischen Setups erhalten Sie hier: https://bwhealthapp.reutlingen-university.de/page/home/#dataEncryption

Ergebnisse und Ausblick

Die Studie hat Ende Juli 2022 begonnen. Erste Ergebnisse liegen daher bis dato nicht vor.3 Diese werden, sobald die Daten erhoben und ausgewertet wurden, hier veröffentlicht.

Förderung und Finanzierung

Die Studie wird unterstützt durch das Ministerium für Soziales und Integration aus Mitteln des Landes Baden-Württemberg.

Quellen / References

  1. Schlander, Michael: PRO („patient-reported outcomes“) und Lebensqualität in der Onkologie. In: Forum 2020 · 35:382–390 https://doi.org/10.1007/s12312-020-00841-9 Online publiziert: 11. September 2020
  2. Krebsinformationsdienst: Lebensqualität und Krebs: Verfassung, Befinden, Beziehung. https://www.krebsinformationsdienst.de/leben/krankheitsverarbeitung/lebensqualitaet.php (letzter Abruf: 12.7.2022)
  3. Stand: August 2022